SLOW BUSINESS: Mein unkonventioneller Weg in die Selbstständigkeit

Als ich 2018 meine ersten Testevents startete, hatte ich weder eine Website, noch ein Logo und auch der Name meines Projekts stand anfangs noch nicht fest. Dies brachte mir allerlei Kritik von Seiten vieler Business Coaches im Bereich der Unternehmensgründung ein. Ich sei „zu wenig business“, mir fehle die Spezialisierung sowie die Skalierbarkeit. Besonders hart ins Gericht mit meinem Vorhaben gingen Mitglieder eines großen Entrepreneur-Netzwerks, die ich auf einer Veranstaltung traf. Ich stand einer Gruppe Menschen gegenüber, die nicht nur meinen fehlenden Webauftritt kritisierten, sondern es als vollkommen unprofessionell einstuften, dass ich damals noch keine Visitenkarten besaß. Sie redeten geballt auf mich ein und beanstandeten, was mir denn alles fehle und ich wissen müsse, was meine Zielgruppe verdiene, etc. etc. – wohlbemerkt ohne mehr über mich und mein Projekt zu wissen. Ich unterbrach den Redeschwall mit den Worten: „Das was ich mache heißt Slow Business“. Die Kritik verstummte und ich wurde interessiert gefragt, was ich denn genau mache und warum. Manchmal braucht es nur einen klingenden Namen und die Ohren sind wieder offen für andere und neue Wege. Meine Web-Suche ergab übrigens, dass ich nicht die Erste bin, die sich den Begriff „Slow Business“ ausdachte. Was für mich jedoch dahinter steht und auch, dass es nicht immer leicht ist dabei zu bleiben, erzähle ich euch in diesem Blogbeitrag.

Da ich hier vor allem von den wenig hilfreichen Tipps meiner Anfangszeit schreibe, möchte ich betonen, dass ich jede Menge schöne Erfahrungen im Zuge der Unternehmensgründung machte. Es gab viele Coaches und Workshop-Leitende, deren Tipps und Empfehlungen für mich und mein Projekt sehr wertvoll waren. Ich denke, es sind dies die Menschen, die mehr nach dem „Warum“ und nicht nur nach dem „Wie“ fragen und die Vision hinter Ideen sehen und nicht nur das Business Modell.

 

„Eine Schnecke hat mehr über den Weg zu erzählen als ein Hase“

Ich liebe diesen Spruch und er beschreibt sehr gut, was ich mit „Slow Business“ meine. Ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, dass die wirklich guten und langlebigen Dinge dann entstehen, wenn sie reifen dürfen. Warum sich alles rund um mein Projekt für mich so schön stimmig anfühlt und es ganz und gar „meins“ ist, ist das Ergebnis einer simplen Formel: Kreativität & Innovation brauchen Zeit & Freiraum. In unserer schnelllebigen Arbeitswelt und gewinnorientierten Unternehmenskultur ist es jedoch nicht immer leicht, mit anderen Konzepten dagegen zu halten. Und ich muss zugeben, in den letzten Monaten wäre es mir fast passiert, auch auf diesen „Growth-Trip“ aufzusteigen. Es ist verführerisch mit schnell wachsenden Unternehmen und skalierbaren Geschäftsmodellen mithalten zu wollen. Mein Plan war mit März die bisherigen Events weiterzuführen und meine neuen Events zusätzlich anzubieten, mindestens fünf Veranstaltungen pro Monat abhalten und mein Projekt so weiter auszudehnen. Gemäß meinem RIA-Konzept hatte ich nach diesem ersten „Veranstaltungs-Semester“ einen Monat veranstaltungsfreie Zeit eingeplant, um zu evaluieren, reflektieren und neue Termine zu planen. Was mir jedoch schon vor dieser „kreativen Schaffenspause“ bewusst wurde: Wenn ich so weitermache, werde ich genau zu dem Workaholic, der ich nie sein wollte und das Hamsterrad ist vorprogrammiert. Ich hatte mittlerweile wenig Zeit für meine Familie, meine Freunde traf ich immer seltener, meine Abende und Wochenenden waren gefüllt mit Events für Weiterbildung und Networking, die ich sehr geschickt für mich als „es macht mir Spaß und ist keine Arbeit“ tarnte. Ich habe also nicht mehr das gelebt, was hinter meinem „Konzept RIA“ steht, weil mir schlichtweg die Zeit dafür fehlte. Es ging nicht mehr um „Slow Business“, sondern „Fast Growth“. Recherchen zu aktuellen Themen und das Schreiben von Texten – fixe Bestandteile meines Projektplans – kamen ebenfalls zu kurz.

 

Es gibt schon genug „Außen Hui und innen Pfui“ auf der Welt

Ich habe schon zu viele Organisationen, Firmen und auch Menschen erlebt, die etwas völlig anderes predigen, als sie tatsächlich tun, und in ihren Slogans, der Firmenphilosophie oder auf Websites etwas propagieren, was sie selbst nicht leben. Ich kann nicht ruhigen Gewissens dafür eintreten, dass das Wichtigste im Leben Familie und Freunde sind, ohne mir selbst genügend Zeit für meine Liebsten zu nehmen. Ich kann nicht von den positiven Effekten der Achtsamkeit, Reflexion und Meditation sprechen, ohne mir selbst ausreichend Zeit dafür zu geben. Ich kann nicht von Slow Business reden und von einem Event zum Nächsten zu rauschen, ohne die Zeit zu haben, die Eindrücke, das Gelernte und die Infos wirken zu lassen. Wenn ich beweisen will, dass es auch ohne Druck und in kleinen Schritten möglich ist, eine beruflich erfolgreiche Selbstständigkeit aufzubauen, muss ich das auch leben.

 

„Wie finanzierst du dir das alles?“

Diese Frage bekomme ich sehr oft gestellt und hiermit lüfte ich auch öffentlich das Geheimnis: Ich habe einen Zusatzjob. Es war von Anfang an mein Plan, mir einen Nebenverdienst zu suchen, um auch in finanzieller Hinsicht möglichst frei zu bleiben. Es musste eine Tätigkeit sein, die ganz anders ist als das, was ich in meinem Projekt mache, mir aber trotzdem Freude macht. Es musste ein Ausgleich zu meiner Selbstständigkeit sein. Außerdem sollte der Job flexibel sein, damit ich auch zeitlich frei bin und bleibe. Darum arbeite ich über ein Personal Leasing Unternehmen als Köchin bei verschiedenen Catering-Firmen und Events. Eine Ausbildung dazu absolvierte ich bereits während meiner Schulzeit und die Leidenschaft fürs Kochen war ohnehin schon immer Teil meines Lebens. Der Job als Köchin ist zwar auch mit Zeitdruck und Effizienz verbunden, es ist jedoch eine andere „Art“ von Stress. Es ist diese handwerkliche Tätigkeit und fokussierte Produktivität die ich dort schätze, die eine andere Art Flow ist, als bei meinen vielfältigen und mehr kopflastigen Aktivitäten im Rahmen des Projekts RIA. Nicht besser oder schlechter, einfach anders. Es ist für mich ein wunderschöner Ausgleich und ich kann dadurch alles verwirklichen, was ich gerne mache. Wer die Liebe zum Kochen mit mir teilt, wird verstehen, was ich meine. Meinen Job als Köchin habe ich übrigens auf einer Plattform für Studentenjobs gefunden – und es heißt ja nicht umsonst Studentenjob, denn es bleibt Platz fürs Lernen!

 

Es gibt keine Patentrezepte (und ich weiß das, weil ich mich mit Rezepten auskenne 😉)

Noch während der Gründungszeit und vor dem offiziellen Start von ria-project, bekam ich den Rat einer Unternehmerin, keinen Zusatzjob anzunehmen und mich zu 100% auf mein Unternehmen zu konzentrieren. Ihr Zusatzjob war von der Thematik her sehr energieraubend und zeitfüllend, sodass die berufliche Selbstständigkeit darunter litt. Es war in ihrem Fall kein Ausgleich, sondern eine „gleichartige“ Zusatz-Herausforderung. Es machte also durchaus Sinn, dass sie beschloss, alle Kräfte auf ihr Unternehmen zu konzentrieren. Sie ging für sich den passenden Weg, doch weder ihre Weise noch die meine, sind Patentrezepte. Menschen sind verschieden, Projekte sind verschieden und jede Branche hat ihre eigenen Spielregeln. Wer beispielsweise ein Geschäft eröffnet und eine hohe Lokalmiete zu bezahlen hat, wird mit meinen Slow-Business-Ansätzen schlecht beraten sein, zumindest was die Anfangszeit betrifft. Wer hohe Summen für technische Produktentwicklungen investiert, wird eine gezielte Marketing-Strategie benötigen, um die Kosten zeitnah ausgleichen zu können und/oder Investoren zu gewinnen. Wer ein großes Team hat und nicht – wie ich – ein EPU (Ein-Personen-Unternehmen) startet, kann schwer eine Pause vom Tagesgeschäft einlegen, wenn auch andere vom laufenden Einkommen des Unternehmens abhängig sind.

Ein weiterer Unterschied: Meine Kundensegmente sind nicht klar abgrenzbar und meine „Produkte“ sind sehr komplex. Manch erfahrenen Business Coaches werden bei dieser Beschreibung die Haare zu Berge stehen. Doch hätte ich die Ratschläge von einem der Coaches damals angenommen und hätte mich ausschließlich auf meine Idee des Impro Speed Datings spezialisiert, dieses international groß aufgezogen und zu einem Fixpreis angeboten, was wäre dann aus meinem Projekt geworden? Eine Dating-Agentur? Und was/wer wäre ich dann? Eine Eventmanagerin? Das wäre so weit weg von dem, wofür mein Herz schlägt, was für mich Sinn macht und mir – sowie in Folge auch anderen – Freude bereitet.

 

Wie geht’s weiter und wann gibt’s die nächsten Events?

Um meinem Projekt und der dahinterliegenden Philosophie treu zu bleiben, konzentriere ich mich jetzt auf die Vorbereitungen der neuen Events und lass mir dabei ausreichend Zeit; Zeit für Reflexion über Vergangenes, Inspiration für Zukünftiges und Achtsamkeit für die Gegenwart – mein Grundrezept für das Slow Business. Und wie bei allen Grundrezepten – mit viel Phantasie, Kreativität und Experimentierfreude entstehen daraus tolle und bekömmliche Neukreationen!

Sobald neue RIA-Event-Termine feststehen, werde ich sie auf meiner Website veröffentlichen und auf Facebook teilen, sowie – jetzt neu – auch auf Instagram darauf aufmerksam machen (hier werde ich mir übrigens auch in Ruhe mal ansehen, wie „der Hase da so läuft“). Meine beiden Dating-Events – die zeitaufwendigsten meiner Veranstaltungen – haben vorerst Pause. Aber keine Sorge, sie werden nächstes Jahr wieder stattfinden, bereichert mit meinen Erfahrungen als Sängerin, Slam-Poetin und Stand-up-Comedian! 😊

Wenn du sofort über neue Veranstaltungstermine informiert sein möchtest, benachrichtige ich dich gerne persönlich per Mail. Schreib mir dazu einfach eine kurze Nachricht.

Nähere Informationen zu dem was hinter dem Projekt „RIA“ steht findest du hier. Wenn du wissen willst, warum ich das Thema Liebe als derart wichtig erachte, erfährst du das in diesem Blogbeitrag. Was berufliche Spezialisierung mit Äpfeln und Bananen zu tun hat, kannst du hier nachlesen. Und wer nicht bis zum nächsten RIA-Event warten will, um mich persönlich kennenzulernen, findet mich auf den diversen Open Stages und Slam-Bühnen Wiens (z.B. Events von FOMP, Textstrom, Fanny Famos, Adina Wilcke, uvm.*). Übrigens ist es sehr inspirierend, den vielen tollen Künstlerinnen und Künstlern auf diesen Bühnen zu lauschen, nicht nur für Leute, die selbst im künstlerisch-kreativen Bereich tätig ist, sondern auch zum Berieseln lassen und einfach Zuhören. Ein wunderbarer Freizeit-Tipp nach vollen Arbeitstagen! Apropos Tipps*, hier noch meine allerliebsten Neuentdeckungen und passend zum Thema dieses Blogbeitrags:

Filmtipp:
Hanna Henigin und Julian Wildgruber (2017): From Business To Being.

Literaturtipp:
Nuccio Ordine (2013): Von der Nützlichkeit des Unnützen. Warum Philosophie und Literatur lebenswichtig sind. Berlin: Graf-Verlag.

Viel Glück dabei! 😊

 

Fragen? Anregungen? Beschwerden? Schreib mir einfach unter office@ria-project.at.

 

Bis bald und alles Liebe!

 

*nicht gesponserte Erwähnung.
Wie in allen meinen Beiträgen, sind ALLE Erwähnungen/Empfehlungen OHNE FINANZIELLE/MATERIELLE ABGELTUNG und beruhend auf meinen eigenen Erfahrungen und/oder Einschätzungen.