Der Klimawandel und die Energiekrise – Teil 1

Wenn mich jemand fragt, was die zwei größten Herausforderungen der heutigen Zeit sind, sage ich immer: Erstens „Der Klimawandel und die Energiekrise“ und zweitens „Der Klimawandel und die Energiekrise“. Damit will ich nicht die Wichtigkeit eines einzigen Themas betonen, ich meine damit sehr unterschiedliche Dinge. Darum gibt es einen Teil 1 und Teil 2 dieses Beitrags. Im ersten Teil geht es nicht um das Thema, was viele unter diesem Titel vermuten würden. Es geht hier um den steigenden Klimawandel unter den Menschen, im gesellschaftlichen Zusammenleben und die Energiekrise auf der persönlichen individuellen Ebene – also dem physischen und psychischen Wohlbefinden.

Winter is coming

Während sich die Erde erwärmt und der Klimawandel voranschreitet, ist vielerorts ein anderes Phänomen, so denke ich, ebenso drastischer Langzeitwirkung zu beobachten. Die steigende Kälte im Umgang mit unseren Mitmenschen schleicht sich subtil in unseren Alltag ein. Dieser Klimawandel hin zu Neid, Missgunst, Habgier und auch Hass, stellt eine große Gefährdung für unser Zusammenleben und den Frieden auf der Welt dar. Obwohl wir historisch auf viele Erfahrungen zurückgreifen können, die uns zeigen wohin diese Gefühle und Handlungen führen, scheint ein großer Teil der Menschheit nicht davon gelernt zu haben.

Angst hemmt das Denken

Evolutionsbedingt reagieren wir leider immer noch sehr einseitig auf das Thema Angst. Angst hemmt das rationale Denken. Das machte früher, also in der Steinzeit, sehr viel Sinn. Denn wenn ein wildes Tier uns angreifen wollte, waren nur folgende Handlungsweisen wichtig: Kampf, Flucht oder Erstarren (Totstellreflex). In unserer heutigen zivilisierten und kulturell entwickelten Gesellschaft sind diese schnellen Anpassungsfunktionen auf Gefahrensituationen mehr hinderlich als förderlich. Dennoch reagiert unser Stammhirn immer noch mit diesen Verhaltens- und Denkmustern, speziell wenn wir Angst oder Unsicherheit spüren.

Der Säbelzahntiger in Nachbars Garten

Wir leben in einer Zeit, in der es, auch weltweit gesehen, noch nie so viel Frieden und Sicherheit gab. Auch hier spielt uns unser Gehirn einen Streich, der früher mehr Sinn hatte. Es war dementsprechend wichtiger, sich zu merken wo die giftige Pflanze wächst, als den Ort der schönen Blumenwiese zu erinnern. Heute brauchen wir uns im täglichen Leben nicht mehr zu fürchten, beim Essen eine tödlich giftige Pflanze zu erwischen. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass ein Säbelzahntiger um die Ecke springt und uns tötet. Auch in noch nicht industrialisierten Ländern, schützen unser umfassendes Wissen rund um die Natur vor alltäglichen Gefahren. Jedoch reagieren wir immer noch intensiver auf das Negative und Negativ-Nachrichten, als auf positive Geschichten in der Welt. Dies führt mitunter dazu, dass Medien nur dann ausreichend Leute auf sich aufmerksam machen können, wenn sie von Katastrophen, Kriminalität und Gefahren berichten. Da wir heute, wie nie zuvor, Zugang zu Nachrichten aus aller Welt haben, ist es umso schwieriger, den Blick auf positive Entwicklungen zu richten.

Wenn das Schöne und Gute fehlt: Energiekrise

Fehlt auf Dauer der Blick auf das „Schöne und Gute“, ob in der Arbeit oder im Privatleben, kann dies schnell zu Gefühlen des Ausgelaugt seins, der Hoffnungslosigkeit oder der Erschöpfung führen. Die Anforderungen in der Arbeitswelt sind in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf Schnelligkeit und Effizienz massiv gestiegen. Und auch im Privatleben und Beziehungen gibt es viele Veränderungen. Die Rollen und Aufgaben in Paarbeziehungen sind komplexer und individueller geworden. Freundschaften und soziale Kontakte spielen sich vermehrt in der Online-Welt ab. Familienverbände werden kleiner. Sich auf diese Veränderungen einzustellen braucht Zeit, die uns unser schnelllebiger Alltag oft nicht gibt. Eine Energiekrise in Form von Burnout, Erschöpfungsdepression oder Angsterkrankung ist nicht selten die Folge dieser Überforderung.

Resilienz: die Wunderwaffe für Krisenzeiten

In unserer heutigen globalisierten Welt und der schnelllebigen „Multioptionsgesellschaft“ (Schnell 2016, S. 3) ist es demnach umso wichtiger, aktiv auf die psychische Gesundheit und mentale Gesundheitsförderung zu achten. Unser Gehirn braucht die aktive Hinwendung zu Ruhe, Entspannung und schönen Dingen, um auch in stressigen Zeiten gut zu funktionieren. Resilienz ist der Fachbegriff für die Fähigkeit, Krisen durch Rückgriff auf eigene Ressourcen zu bewältigen. Einigen ist diese Fähigkeit sozusagen in die Wiege gelegt und entwickelt sich rund um ihre Lebens- und Erfahrungswelt von selbst. Andere wiederum sind gefordert, aktiver an der Stärkung dieser psychischen Widerstandskraft zu arbeiten. Glücklicherweise ist diese Fähigkeit erlernbar, wie auch der Blick auf das Schöne und Gute im Leben trainiert werden kann.

Leben mit dem Blick auf das Schöne und Wesentliche

Neben der Anziehungskraft, die negative Dinge und Geschehnisse auf der Welt auf uns haben, gibt es im Menschen auch eine tiefe Sehnsucht nach dem Schönen, nach Frieden und Zusammenhalt. Und ich glaube daran, dass diese tiefen Bedürfnisse schlussendlich immer wieder siegen werden. Wir haben bereits so viel Frieden auf der Welt geschaffen seit wir diesen Planeten bewohnen. Und so viel Leid wurde bereits durch Zusammenhalt, Kooperation und Wohlwollen gelöst. Wichtig dabei ist, mit dem Blick auf das Große und Ganze, auf die Welt und das Leben zu schauen. Was Menschen langfristig und nachhaltig glücklich macht ist nicht das – verständlicherweise sehr verführerische – Streben nach Besitz, Macht und Geld. Es sind die menschlichen Beziehungen und sozialen Kontakte, die das Leben lebenswert machen (siehe auch: Harvard Study of Adult Development). Es ist die Ausgewogenheit an Herausforderungen und Entspannungsmomenten im Alltag. Es sind schöne Erlebnisse, Freude und Genuss, die das Leben und die Tage erfüllen. Und diese Erlebnisse und Gefühle sind wohl der schönste Besitz den ein Mensch haben kann. Und auch wenn es manchmal düster für unsere Zukunft aussieht. Es gibt so viele Projekte, Initiativen und Menschen auf der Welt, die an eine gute Zukunft für alle glauben und an dieser Zukunft arbeiten – der Blick auf diese Dinge ist wichtig. Denn was wir am Allermeisten und stets brauchen ist die Hoffnung. Ein sehr gescheiter Mensch sagte mal zu einer Zeit, in der auch viel Neid und Hass das Zusammenleben einer Region beherrschte, nicht diesen Satz: „I have a nightmare“. Sondern: „I have a dream“.

 

Weiterführende Literatur:
Ayan, Steve (Hrsg.). (2017): Lust, Glück, Sinn: Alles, was uns antreibt. Psychologie. Hirnforschung. Medizin. Dossier 3/2017. Spektrum der Wissenschaft.
Frankl, Viktor E. (2009): …trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. Kösel/München. (erste Veröffentlichung 1946)
Harvard University Health Services: Online unter https://www.adultdevelopmentstudy.org/grantandglueckstudy [Zugriff am 16. Mai 2018]
Schnell, Tatjana (2016): Psychologie des Lebenssinns. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag.
Stahnke, Adelheid (Hrsg.). (2018): Neue Fronten der Gehirnforschung. Das Wechselspiel von Außen- und Innenwelt. Biologie. Medizin. Hirnforschung. 1/18. Spektrum der Wissenschaft SPEZIAL.